Süß, happy und fit

Von wegen zuckerkrank – ein Blog über glückliches Leben, leckere Ernährung und Sport mit Typ-1-Diabetes

Rennrad-Tour im Hamburger Flachland – mit Blutzucker auf Berg- und Talfahrt

2 Kommentare

Wenn ich Ende August bei den Vattenfall Cyclassics mein erstes Radrennen bestreiten will, muss ich mich an das Radeln im Pulk gewöhnt haben. Deshalb habe ich neulich erstmals an einer RTF – sprich: Radtourenfahrt – teilgenommen. Das Radfahren in einer großen Gruppe und die vielen Handzeichen, mit denen Rennradfahrer untereinander kommunizieren, waren erst ziemlich ungewohnt. Am meisten Probleme bereitete mir bei dieser Fahrt allerdings mein Blutzucker.

Mein hübsches kleines Rennrad ist mittlerweile fast ein Jahr alt, und ich freue mich schon darauf, wenn es in exakt 18 Tagen erstmals beim Hamburger Triathlon zum Einsatz kommt. Ende August steht mir allerdings eine ganz neue Herausforderung bevor, nämlich die Vattenfall Cyclassics, bei denen ich mir mit 55 Kilometern zwar nur die kürzeste aller verfügbaren Strecken (55, 100 und 155 Kilometer) vorgenommen habe – aber immerhin sind 55 Kilometer auch kein Pappenstiel. Die Strecke selbst macht mir wenig Sorgen, doch das Radfahren im Pulk, ganz dicht an dicht, ist noch völlig neu für mich. Schließlich ist beim Triathlon Windschattenfahren streng verboten, alle Triathleten sind angehalten, beim Radfahren ordentlich Abstand vom nächsten Radler zu halten.

RTF: Fester Termin, behördlich angemeldet, ordentlich ausgeschildert

Zum Glück kann man das Radfahren in der Gruppe in Hamburg und Umgebung bei sehr vielen Gelegenheiten trainieren. Auf Helmuts Fahrrad Seiten findet man jede Menge Termine für RTF – so nennen Rennradfahrer organisierte Radtourenfahrten, die zu festen Terminen organisiert werden, behördlich angemeldet und ordentlich ausgeschildert sind und bei denen sich die Radfahrer außerdem unterwegs an Verpflegungsstationen stärken können. Eines Sonntags im Juni war es also Zeit für meine erste RTF, bei der ich (vorsichtig wie ich bin) erst einmal nur die kurze Etappe von 44 Kilometern ausgewählt hatte. Bereits morgens um halb neun mussten mein Mann und ich in Hamburg-Volksdorf sein – das bedeutet Aufstehen um sechs Uhr, Sportlerfrühstück, Räder auf den am Abend zuvor ans Cabrio montierten Fahrradhalter schnallen, Abfahrt um kurz nach sieben.

IMG_0864IMG_0865 IMG_0860IMG_0862

Porridge ist eigentlich ein tolles Frühstück vor intensiven Sporteinheiten

Christoph schwört in Sachen „Sportlerfrühstück“ auf Porridge, also Haferbrei, mit Obst. Sicherlich keine verkehrte Wahl, denn so eine Mahlzeit liegt nicht lange schwer im Magen, die Kohlenhydrate in Haferbrei gelangen rasch ins Blut, was sinnvoll ist, weil beim Radfahren eine Menge Glukose verheizt wird. Leider gelang es mir morgens um sechs nicht, seine Frühstücksgedanken zu lesen, und ich spritzte meine gewohnte Dosis Insulin für mein Standardfrühstück (eine Scheibe Brot, zur Hälfte belegt mit Serranoschinken, die andere belegt mit Käse und einem Klecks Marmelade, außerdem ein Schälchen Quark mit Chiasamen und Obst, zusammen mit der Milch im Kaffee rund 50 bis 60 Gramm Kohlenhydrate), abzüglich einer Einheit wegen der anstehenden sportlichen Belastung. Am Frühstückstisch angekommen, fand ich statt meines Standardfrühstücks eine ordentliche Portion Porridge mit Obst vor. Allerdings kam ich nach kurzem Überschlagen zu dem Ergebnis, dass dieses Frühstück wohl ähnlich viele Kohlenhydrate wie mein übliches Standardfrühstück enthält, meine Insulindosis also passen sollte.

Trotz Ballisto und Traubenzucker sank der Glukosewert auf 50 mg/dl

Doch ich irrte mich. Noch während der einstündigen Autofahrt nach Hamburg sank mein Glukosewert rapide ab anstatt – wie nach einer Mahlzeit mit schnellwirksamen Kohlenhydraten eigentlich üblich – erst einmal anzusteigen. Ein Glukosewert von unter 80 mg/dl (das Freestyle Libre zeigte zudem eine sinkende Tendenz an) kurz vor einer noch unbekannten größeren sportlichen Belastung macht mich nervös. Ich futterte also ein grünes Balllisto – bei mir eigentlich immer eine sehr schnelle und zuverlässige Nummer bei niedrigen Zuckerwerten. Doch am RTF-Tag war alles anders als sonst. Mein Glukosewert ließ sich auch vom zweiten und dritten Ballisto sowie von einigen Täfelchen Traubenzuckernicht beeindrucken und sank auf etwas über 50 mg/dl. Ich hegte den Verdacht, dass mein Verdauungssystem irgendwo eine undichte Stelle haben muss, durch die die Kohlenhydrate einfach verschwinden, bevor sie im Blut ankommen. Währenddessen sah ich immer mehr sehnige Radler auf ihren Renngeschossen in Richtung Treffpunkt sausen und war mir auf einmal ziemlich sicher, dass ich bei dieser RTF aus vielerlei Hinsicht fehl am Platz sein würde.

Ergebnis des panischen Fress-Flashs: 234 mg/dl beim Radfahren

Doch Kneifen gildet bekanntlich nicht, also versuchte ich die Nerven zu behalten und darauf zu vertrauen, dass der Zuckerwert schon beizeiten wieder steigen würde. Das tat er dann auch. Zum Start der RTF um neun Uhr lag er bei 168 und hatte damit eine Höhe, mit der man entspannt in eine Sporteinheit starten kann. Leider rächte sich mein panischer Fress-Flash auf den ersten Kilometern der RTF: Der Glukosewert stieg auf 234 mg/dl – ein Wert, mit dem ich mich definitiv nicht mehr fit und sportlich leistungsfähig fühle. Außerdem bemerkte ich, dass ich es (wieder einmal!) versäumt hatte, meinen Insulinpen mitzunehmen, weil ich (häufig fälschlicherweise!) beim Sport eher mit niedrigen als mit hohen Werten rechne. Ich strampelte also irgendwo hinter Volksdorf über die Landstraßen, während mein Insulin im Auto lagerte. Zum Glück wanderte nach einer Weile die ganze überschüssige Glukose aus meinem Blut restlos in meine Oberschenkel und Waden. Beim Verpflegungspunkt lag mein Glukosewert bei 120 mg/dl, so dass ich mir dort sogar ein kleines Schmalzbrot genehmigen konnte, ohne Insulin dafür zu benötigen.

Kommunikation per Handzeichen – eine Wissenschaft für sich

Nachdem sich mein Zucker eingependelt hatte, konnte ich mich endlich so richtig aufs Radfahren konzentrieren. Und da gibt es in der Gruppe so einiges zu lernen. Weil man sehr dicht aufeinander auffährt – vom Windschatten profitiert man wirklich nur, wenn man maximal einen Abstand von einem Meter zum Vordermann hält, das muss man sich erst einmal trauen! – kann man nicht wirklich gut sehen, was vor einem auf der Straße los ist. Man ist also darauf angewiesen, dass einen die voranfahrenden Radler per Handzeichen auf Hindernisse, Schlaglöcher, Kreuzungen, Kreisverkehr oder herannahende Autos aufmerksam machen. Auf der Seite der Vattenfall Cyclassics ist das „Morsealphabet“ der Radler ein wenig beschrieben, doch ich habe ein paar weitere Handzeichen beobachtet. Wer mit der Hand über dem Kopf eine kreisende Bewegung macht, signalisiert zum Beispiel, dass die Gruppe sich einem Kreisverkehr nähert. Wer die Hand links hinter den Rücken legt, zeigt das Herannahen eines Hindernisses auf der linken Seite an – das ist dann in der Regel Gegenverkehr in Form eines Autos. Einmal sah ich ein paar Radler vor mir einen Mann seine rechte Hand kräftig schütteln und grübelte eine ganze Weile, was er den Mitfahrenden damit wohl mitteilen wollte – bis ich verstand, dass ihm offenbar nur seine Hand ein bisschen eingeschlafen war und er sie lockern wollte. Gegen Ende der Tour hatte ich dann auch kapiert, dass diese vielen Handzeichen nur dann sinnvoll sind, wenn einem auch noch weitere Radfahrer folgen. Und ganz kurz vor dem Zeil dämmerte mir, dass man als letzter Radler einer Gruppe vor allem die Aufgabe hat, laut „Auto“ nach vorn zu rufen, wenn sich von hinten ein Fahrzeug nähert.

Zwischenmenschliches Neuland für einsame Triathleten

Mein Fazit nach meiner ersten RTF: Zuckertechnisch hätte es ganz sicher besser laufen können. Und das Radeln im Pulk ist für einen Triathleten, der vor allem einsames Training gewohnt ist, kommunikatives Neuland. Doch immerhin fiel es mir aus sportlicher Sicht nicht schwer, die 44 Kilometer der RTF zu bewältigen. Es gab auch keinen bösen Muskelkater am nächsten Tag. Insofern bin ich zuversichtlich, dass ich die Cylclassics ganz passabel bewältigen werde. Nach dem Triathlon in 18 Tagen bleiben schließlich noch ein paar Wochen, in denen ich mich noch einmal ganz aufs Radfahren konzentrieren kann. Ganz herzlichen Dank an dieser Stelle noch einmal an Arndt, der diese – für seine Verhältnisse doch eher lächerlich kurze – RTF zusammen mit uns gefahren ist und uns ein paar Insider-Tipps zum Radeln gegeben hat.

2 Kommentare zu “Rennrad-Tour im Hamburger Flachland – mit Blutzucker auf Berg- und Talfahrt

  1. Pingback: 1:0 für meinen Schweinehund: Warum ich nicht bei den Cyclassics antreten mochte | Süß, happy und fit mit Diabetes Typ-1

  2. Pingback: Mylife Daily Dose Insulinspritze: Ein kleiner Schuss Insulin für unterwegs? | Süß, happy und fit!

Hinterlasse einen Kommentar