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Versehentlich nüchtern gestartet: Blutzucker-Chaos bei zwei Läufen

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Woran liegt es, wenn bei einem 10-Kilometer-Lauf trotz eines perfekten Blutzuckerwertes beim Start der Blutzucker ab der Hälfte der Strecke steil ansteigt? Darüber durfte ich auch beim Itzehoer Störlauf grübeln – und habe tatsächlich eine Theorie entwickelt.

Vor einer Weile hatte ich euch ja über mein Blutzucker-Chaos bei der IDAA-Staffel beim Hamburger Marathon berichtet , bei dem ich eine Etappe von 9,2 Kilometern bestritten habe. Unmittelbar nach dem Lauf hatte ich darüber nachgedacht, warum wohl mein Blutzucker nach ein paar Kilometern so steil auf über 200 mg/dl anstieg und beinahe bis zum Ende des Laufes nicht wieder absinken wollte. Ich hatte es auf das für meine Verhältnisse sehr hohe Tempo zurückgeführt, das mich vermutlich über die anaerobe Schwelle (hallo Adrenalin?) getragen und dadurch meinen Blutzucker hat ansteigen lassen.

Start mit meinem Wohlfühltempo von 6:30 Minuten pro Kilometer

Nun ist mir allerdings vergangenen Sonntag beim 10-Kilometer-Störlauf in Itzehoe etwas ganz Ähnliches passiert, obwohl ich dort ganz von Anfang an mein ganz eigenes Tempo gelaufen war. Kurz vor dem Start hatte ich einen Blutzuckerwert von 99 mg/dl gemessen und vorsichtshalber einen halben Eiweißriegel gegessen, damit ich beim Laufen nicht unterzuckere. Ich startete mit einem Tempo von etwa 6:30 Minuten pro Kilometer und hatte das positive Gefühl, dass ich es ganz gut über eine solche Strecke durchhalten kann. Mit dem Freestyle Libre verfolgte ich ab und zu, wie sich der Glukosewert entwickelte – anfangs fühlte ich mich gut, freute mich an der hübschen und abwechslungsreichen Strecke und erinnerte mich an meinen ersten Start beim Störlauf, bei dem mir die einzelnen Streckenabschnitte wesentlich anstrengender und vor allem länger erschienen waren.

Schwere Beine und ein flackerndes Bild vor meinen Augen

Doch etwa ab Kilometer 5 verzeichnete das Lesegerät einen steilen Anstieg des Glukosewerte. Erst 180 mg/dl mit steigender Tendenz, kurz darauf 220 mg/dl mit weiter steigender Tendenz, dann sogar 240 mg/dl mit steigender Tendenz. Ab Kilometer 7 waren meine Beine unendlich schwer und das Bild vor meinen Augen begann zu flackern, das fühlte sich alles andere als gesund an. Ich überlegte ernstlich, den Lauf abzubrechen und war mir ziemlich sicher, dass mein für subtile Attacken durchaus bekannter Schweinehund dieses Mal nicht seine Finger im Spiel hatte. Der Glukoseverlauf und mein Gefühl dabei erinnerten mich sehr an die Marathon-Staffel und ich grübelte hin und her, was nur bei beiden Läufen gleichermaßen falsch gelaufen sein könnte – denn am höheren Tempo beim Marathon konnte es ja vielleicht doch nicht gelegen haben.

Allzu großer Abstand zur letzten Mahlzeit – des Rätsels Lösung?

Kurz nach Kilometer 8 – ich hatte gerade den Rettungswagen passiert und den Gedanken verworfen, mit den Sanitätern über meinen Glukoseverlauf zu sprechen, weil es sicherlich nicht gefruchtet hätte – hatte ich meinen Erklärungsansatz entwickelt: Ich war in beiden Läufen quasi nüchtern gestartet. Bei der Marathon-Staffel hatte ich sehr früh am Morgen gegen 5:30 Uhr zusammen mit meinem Mann gefrühstückt, der beim Startschuss für seinen Einzelstart um 9:00 Uhr keinen vollen Magen mehr haben wollte. Danach hatte ich nichts mehr gegessen und war herumgelaufen, bis ich gegen 11:30 Uhr dann selbst am Start war. Kurz vor dem Lauf hatte mein Glukosewert bei 110 mg/dl gelegen und ich hatte vorsorglich 1,5 KE in Form eines Müsliriegels zu mir genommen, weil ich davon ausging, dass mein Glukosewert beim Laufen dann absinken würde. Beim Itzehoer Störlauf hatte ich zwar erst gegen 10:30 Uhr und auch ausgiebig gefrühstückt, allerdings dann wieder bis zum späten Start um 18:00 Uhr nichts gegessen. Vor dem Start lag der Glukosewert bei 99 mg/dl, woraufhin ich lieber nur 1 KE in Form eines Eiweißriegels aß, weil ich ein Szenario wie beim Marathon ja vermeiden, aber dennoch nicht unterzuckern wollte. Was aber leider komplett daneben ging, siehe oben.

Mein Körper zapfte die Speicher an – doch ihm fehlte es an Insulin

Und nun zu meiner Theorie, die ich sehr gern auch mit erfahrenen Läufern und Diabetes-Profis diskutieren würde: Da ich bei beiden Läufen quasi nüchtern war, stand meinem Körper nur mein Basalinsulin (ich spritze 9 IE Lantus pro Tag, immer abends gegen 21:30 Uhr – und ja, obwohl man meinen sollte, dass eine derart niedrige Dosis Lantus nicht 24 Stunden reicht, funktioniert es prima, meine Basalrate scheint derzeit zu stimmen) zur Verfügung, es gab nicht den kleinsten Rest Bolusinsulin von einer vorangegangenen Mahlzeit mehr. Die kleinen Kohlenhydratmengen vor dem jeweiligen Lauf reichten nicht aus um den Gesamtenergiebedarf für den Lauf zu decken, also zapfte mein Körper nach einer Weile seine Speicher an, um an Energie zu gelangen. Für die damit freigesetzte Glukose fehlte es aber an Insulin, wodurch wiederum der Glukosewert stetig anstieg, weil die Muskelzellen dem Gehirn ja weiterhin Bedarf meldeten.

Neue Spielregel: Vor Nüchternläufen ein bisschen essen und miniwenig spritzen

So blöd sich das Ganze auch anfühlte (und so enttäuscht ich auch war, dass ich wegen meines Handicaps nicht mein Ziel von 1:05 Stunden für die 10 Kilometer erreichte), war ich dennoch erleichtert, dass ich eine in meinen Augen plausible Erklärung für das Phänomen gefunden hatte. Bei den nächsten beiden Läufen waren jeweils auch schon mehr als 5 Stunden seit der letzten Mahlzeit vergangen, bis auf das Basalinsulin gab es also vermutlich keine Insulinreserven mehr in meinem Körper. Beide Male lag mein Glukosewert unmittelbar vor dem Lauf irgendwo zwischen 95 und 115 mg/dl. Deshalb aß ich beim einen Lauf eine kleine Banane (1,5 KE) und beim anderen Lauf einen Eiweißriegel (2 KE) und spritzte dazu eine Mini-Minidosis Insulin: Obwohl mein KE-Faktor bei 1,0 liegt, spritzte ich für die kleinen Kohlenhydrat-Booster jeweils nur 0,5 IE. Denn schließlich verstärkt körperliche Aktivität die Wirkung von Insulin ungemein. Und was soll ich sagen? Es funktionierte! Der Glukosewert bewegte sich während des Laufens in normalen Bereichen zwischen 100 und 160 mg/dl. Yippieh, nach immerhin zwei Feldversuchen erscheint mir die neue Spielregel praktikabel zu sein!

Mich würde sehr interessieren, ob andere sportliche Diabetiker ähnlich Erfahrungen gemacht haben und meine Theorie bestätigen können bzw. ob sie ihnen ebenfalls plausibel erscheint. Also haut in die Tasten und schreibt mir! J

11 Kommentare zu “Versehentlich nüchtern gestartet: Blutzucker-Chaos bei zwei Läufen

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  8. Hallo Antje,

    lustig Dein Beitrag, hast Du versehentlich vor einem 10K Lauf vergessen zu essen. Ich denke Du hast ’ne gute Erfahrung gemacht mit der Bedeutung von Essen vorm Lauf. Über der anaeroben Schwelle kommt der rote Bereich aber ich denke Du meinst, dass Du Dich von dem aeroben in Richtung anaeroben laktaziden Stoffwechsel bewegt hast.

    Zu Deiner Analyse möchte was sagen, vielleicht liege ich aber mit dem was ich sage auch total daneben. Ein möglicher Glucosetransport kann nur von der Leber in den Muskel stattfinden. Ich glaub ehrlich gesagt nicht, dass die die Leber mehr Glukose bereitgestellt hat. Der Körper verschiebt automatisch seine Energieversorgung von den Kohlehydrate hin zu Fettverbrennung mit dem Ergebnis der Keton Bildung. Das ist der erste Weg. Hast Du danach mal Keton gemessen?

    Meistens werden Hormone wie Adrenalin, Cortisol und Wachstumshormone, Laktat … erst in extremen Sport Situationen vom Körper eingesetzt. So kenne ich das zumindest von mir. Durch die Aufnahme von Essen kannst Du natürlich auch die Fettverbrennung beeinflussen und streuern und somit auch die Ketonbildung verhindern. Das spielt beim Marathon eine entscheidende Rolle, sollte aber auch bei 10K schon gelten (Mann mit dem Hammer).

    Essen vor einem Lauf ist sehr wichtig. Da kann man viel mehr Leistung aus sich herausholen. Stichwort hierzu ist Carbonat Loading. Da hat denke ich jeder Läufer so seine eigene goldene Regel.

    Viel Spaß beim weitern Laufen und dem Finden der perfekten Einstellung, Gruß thomas

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    • Moin Thomas,
      danke für deine Einschätzung! Ketone habe ich nicht gemessen, gehe aber davon aus, dass sicherlich ein paar davon in meinem Blut unterwegs waren, weil ja sonst nicht so viel an Energie zu holen war… Von heftigem Carboloading halte ich persönlich nichts, im Alltag ernähre ich mich eher in Richtung LOGI mit 80-150 g KH pro Tag. Insofern spring mein Fettstoffwechsel sicherlich ein bisschen schneller an als bei jemandem, der sehr viele KH isst. Aber dass ich nüchtern nicht sonderlich leistungsfähig bin, habe ich ja nun gemerkt. 🙂
      LG Antje

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  9. Hallo Antje,
    ich kann dir deine Erfahrungen nur bestätigen. Wenn ich morgens nüchtern laufen gehe geht mein BZ hoch wie verrückt. Es sind wohl einfach die Glukosespeicher der Leber, die angezapft werden, aber natürlich nciht in die Muskeln kommen 😦
    Andererseits habe ich innerhalb des letzten Monats auch beim Bonn bzw. Mainz Marathon feststellen müssen, dass Frühstücksinsulin ziemlich lange wirken kann – gerade die ersten 10 km merke ich noch die Wirkung, sodass ich dann besonders leicht unterzuckere. Im Gegensatz dazu gestaltet sich die Sache ab km 30 – dann ist kein Insulin mehr wirksam und der BZ steigt eher. Verzwickte Sache 😦 Aber naja, muss man halt mit rumprobieren 🙂

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