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DDG-Jahrestagung: Leistungssport mit Typ-1-Diabetes? Das geht – und wie!

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Basalratenanpassung, Blutzucker-Startwert, aerobes und anaerobes Training, Muskelauffülleffekt – die Hochleistungssportler der „Special Ones“ geben Diabetologen Tipps zur Betreuung ihrer sportlichen Patienten.

Noch Ende der 1980er Jahre kam die Diagnose Typ-1-Diabetes faktisch einem Sportverbot gleich. Empfohlen wurden Belastungen mit einer Herzfrequenz von maximal 130 Schlägen pro Minute, wegen der Gefahr einer Hypoglykämie sollten Typ-1-Diabetiker bitte grundsätzlich nur in Begleitung von Nicht-Diabetikern zum Sport aufbrechen. An Hochleistungssport war angesichts solcher Warnungen nicht zu denken. Heute können Typ-1-Diabetiker es dank verbesserter Monitoring- und Therapiemöglichkeiten nicht nur zum ambitionierten Freizeitsportler bringen, sondern auch sportliche Höchstleistungen erreichen. Trotzdem bleibt die Blutzuckereinstellung beim Sport eine kniffelige Angelegenheit – auch mit der intensivierten konventionellen Therapie (ICT) oder der Insulinpumpentherapie, die von vielen Sportlern mit der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) kombiniert wird.

„Special Ones“ wollen ihr persönliches Wissen weitergeben

Und so erreichen Spitzensportler wie Daniel Schnelting (Leichtathletik, Sprint), Anja Renfordt (Kickboxen), Alexander Piel (Karate), Simon Strobel (Radprofi), Melanie Schipfer (Marathon und Triathlon) und Stephanie Hill (Leichtathletik, Sprint und Weitsprung) regelmäßig Anfragen von Diabetologen und Diabetesberaterinnen aus der gesamten Bundesrepublik, die unsicher sind, wie sie sportlich ambitionierte Typ-1-Diabetiker optimal betreuen können. Die sechs Topathleten haben sich daher zusammengeschlossen und geben als „Special-Ones“ ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiter, damit auch andere Typ-1-Diabetiker ihre sportlichen Ziele erreichen können. „Wir wollen insbesondere Kindern und ihren Eltern zeigen, dass man trotz Typ-1-Diabetes gut leben und sportlich aktiv sein kann“, sagte Daniel Schmelting. Bei der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) Ende Mai 2014 in Berlin, die ich zur Berichterstattung für die Medical Tribune besuchte, gaben sie auch Diabetologen ein wenig Nachhilfe in Sachen Typ-1-Diabetes und Leistungssport.

Mehrere verschiedene temporäre Basalraten

Universell taugliche Patentrezepte hatten die Sportler allerdings nicht auf Lager – dafür unterscheiden sich ihre individuellen Therapieansätze und auch die von ihnen ausgeübten Sportarten zu sehr. So trägt die Triathletin Melanie Schipfer ihre Insulinpumpe beim Langdistanz-Triathlon, der aus 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen besteht, ohne Unterbrechung. Bei den einzelnen Disziplinen verringert sich ihr Bedarf an Basalinsulin unterschiedlich stark, daher nutzt sie mehrere verschiedene temporäre Basalraten, die sie vorher in ihre Insulinpumpe einprogrammiert, um während des Triathlons nicht zu unterzuckern. Ähnlich handhabt es Stephanie Hill, die als Leichtathletin ihre Insulinzufuhr ebenfalls im Tagesverlauf flexibel anpassen muss. „Beim lockeren Lauftraining oder Warmmachen bleibt die Belastung im aeroben Bereich, dann reduziere ich die Basalrate meiner Insulinpumpe auf 50 Prozent.“ Bei Sprints hingegen wird die Maximalbelastung erreicht, bei der der Organismus Adrenalin ausschüttet und auf die Glykogenreserven zurückgreift, deren Verstoffwechselung wiederum größere Mengen Insulin erfordert. „Dann läuft die Pumpe auf 100 Prozent“, berichtete Stephanie Hill.

Im Karatewettkampf würde eine Insulinpumpe nur stören

Für den Karatekämpfer Alexander Piel wiederum kommt eine Insulinpumpe nicht in Frage, „das Gerät würde mich beim Kampf stören.“ Er verabreicht sich sein Insulin daher ganz konventionell mit einem Insulinpen. An seinen morgendlichen und abendlichen Basaldosen ändert er auch an Wettkampftagen nichts, „ich reguliere den Blutzucker dann über einen verringerten Bolus zu den Mahlzeiten und Extra-Kohlenhydrate zum Sport.“ Um seinen Blutzucker exakt zu überwachen, trägt Alexander Piel aber einen Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM): „Für mich ist es wichtig, dass ich jederzeit weiß, in welchem Bereich sich mein Blutzucker bewegt, damit ich sicher sein kann, dass ich meine maximale Leistung abrufen kann.“

Adrenalin lässt den Blutzuckerspiegel ansteigen

Anja Renfordt hingegen trägt eine Insulinpumpe, obwohl es sich auch beim Kickboxen um eine Vollkontakt-Sportart handelt. Für den Kampf koppelt sie die Pumpe allerdings ab, damit das Gerät und der Schlauch nicht im Weg sind. Sie beobachtet an Wettkampftagen häufiger eher höhere als zu niedrige Blutzuckerwerte: „Kickboxen ist anders als ein Iron Man, da will nicht nur ich mein Ziel erreichen, sondern auch meine Gegnerin will mich k.o. schlagen.“ Auch sie muss in einem Kampf manchmal einstecken: „Wer ein blaues Auge oder eine gebrochene Nase kassiert, der spürt Schmerzen. Schmerzen regen die Ausschüttung von Adrenalin an, das wiederum den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt.“ Um dem Stresshormon Adrenalin etwas entgegenzusetzen, lässt die Kickboxerin die Basalrate ihrer Insulinpumpe an Wettkampftagen auf 150 Prozent laufen.

Was tun bei hohen Zuckerwerten nach dem Training?

Viele Freizeitsportler mit Typ-1-Diabetes beobachten, dass nach dem Training der Blutzucker zunächst einmal ansteigt, um dann zwei bis drei Stunden später rapide abzusinken. Dieses Phänomen ist auch den Topathleten der „Special Ones“ vertraut. Ihr praktischer Rat: Unmittelbar nach dem Training den hohen Blutzuckerwert mit einem passenden Bolus korrigieren, dann aber rasch Kohlenhydrathaltiges essen, um einer Hypoglykämie vorzubeugen. „Die Glykogenspeicher in den Muskeln und in der Leber wollen wieder aufgefüllt werden, diesen Effekt darf man nicht unterschätzen“, so die einhellige Meinung der Sportler.

Erhöhtes Risiko für Hypoglykämien beim Sport

Wissenschaftliche Erklärungen für das eine oder andere Phänomen lieferte Dr. Peter Adolfson vom Pediatric Growth Research Center im schwedischen Göteborg. Er betreut viele junge Athleten mit Typ-1-Diabetes, und die Maxime seiner Arbeit lautet: „Sport sollte sicher sein und Freude bereiten, nichts sollte einer guten sportlichen Leistung entgegen stehen.“ Sportliche Aktivität bei Diabetikern geht mit einem erhöhten Risiko für Hypoglykämien einher, welche die Hormonantwort ungünstig beeinflussen. „Wenn aber Hypoglykämien vor dem Sport vermieden werden, normalisiert sich die Hormonantwort auch bei Typ-1-Diabetikern. Sie unterscheiden sich in ihrer Leistungsfähigkeit dann nicht von Stoffwechselgesunden.“ Aus diesem Grund nehmen sportlich aktive Diabetiker oft höhere Zielwerte in Kauf. „Es gilt also immer die Balance zu wahren zwischen einer guten Blutzuckereinstellung, maximaler sportlicher Leistung und der Vermeidung von Hypoglykämien“, erklärte Dr. Adolfson.

Nicht vergessen: Insulin ist ein anaboles Hormon

Obwohl sportliche Aktivität den Insulinbedarf senkt und die Insulinsensitivität erhöht, hält Dr. Adolfson nicht viel davon, deswegen die Insulinzufuhr drastisch zu reduzieren. Sinnvoller ist es in seinen Augen, die Kohlenhydratzufuhr beim und nach dem Training zu erhöhen. Er begründete dies mit Vergleichsstudien, die er in seinem Zentrum an jungen Sportlern mit und ohne Typ-1-Diabetes durchgeführt hat. Alle Probanden wurden mit einem CGM-System ausgestattet, das ihre Blutzuckerwerte vor dem Sport, während des Sports und danach genau dokumentierte. Man stellte fest, dass auch Stoffwechselgesunde nach dem Training erhöhte Blutzuckerwerte aufweisen. Ob es am Adrenalin liegt oder am Fettstoffwechsel, der auch nach dem Sport noch eine ganze Weile auf Hochtouren läuft? Ganz sicher ist man sich in diesem Punkt noch nicht. „Doch wir sollten nicht vergessen, dass Insulin ein anaboles Hormon ist, und diesen Effekt sollten sich auch Diabetiker zunutze machen.“

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